Mittwoch 4. und Donnerstag 5. September 2024: München
Mit einem Gewitterregen beginnt der Tag in Mannheim. An der Strecke habe ich lange herumgetüftelt. Über sieben Stunden Fahrtzeit, drei Umstiege, die Alternativen waren noch unattraktiver. Also mit der OEG nach Heidelberg und von dort mit dem Regionalexpress 10a nach Bad Friedrichshall, eine schöne Strecke am Neckar entlang. Der Regen hat aufgehört, die Landschaft dampft. Umstieg in den RE 8 nach Würzburg. Das Gespräch mit einer netten Mitreisenden aus Heidelberg, die in Würzburg am Ziel ist, verkürzt auf sehr angenehme Weise die eineinhalbstündige Fahrt. Die fünf Minuten Verspätung behindern meinen Umstieg in den RE 80 nicht. Dann ist allerdings Geduld gefragt. Der Zug hält »an jeder Milchkanne« (28 Haltestellen), ist voll und die Kinder sind unruhig, besonders der Kleine neben mir. Mann und Frau spricht bayrisch respektive fränkisch. Ansbach erinnert mich an meine Großmutter, die hier einen Großteil ihrer Jugend verbracht hat. Die drei Stunden 40 Minuten bis München sind eine Herausforderung. Wir kommen um 16.23 Uhr fast pünktlich an oder um es mit den Worten des Zugführers zu sagen: »... mit zwei Minuten und 48 Sekunden Verspätung«.
Was ist mit den Münchnerinnen und Münchnern los? Die sind ja so was von freundlich! Schon die Leute an der Rezeption im Hotel – fünf Minuten Fußweg vom Bahnhof – machen Lust auf die Stadt. Mein reserviertes Einzelzimmer ist Baustelle, wie man mir sagt, so dass man mir ein hübsches Doppelzimmer anbietet und das auch noch 25 Euro günstiger als mein gebuchtes.
Es ist schon fünf Uhr spät als ich meine Erkundungstour beginne, also schnurstracks los. In den 70er Jahren war ich zweimal mit meinem damaligen Freund in München. Und ich erinnere mich an den Stachus (Karlsplatz), an dem ich jetzt stehe. Er ist das Eingangstor zur stark frequentierten Einkaufsmeile Kaufingerstraße, die zu dem beeindruckenden Alten Rathaus am Marienplatz führt. Ich biege links ab zum touristischen »Muss« Frauenkirche, dann zum Odeonsplatz und hinüber zum Hofgarten.
Dort treffe ich auf ein Polizistenpärchen (Mann und Frau), die ich ausführlich ausfrage und die mir beide mit einem strahlenden Lächeln geduldig antworten. »Ja, das ist die Staatskanzlei«, und »zum Englischen Garten geht es am besten durch den Tunnel«, »das Haus der Kunst ist dort, die Kunsthalle da ...«. Die beiden hätten es mehr als verdient, zur »Begegnung des Tages« gekürt zu werden. Nur, die Zeit ist knapp und ich eile in den Englischen Garten. Dieses Münchner Paradies hatte mich bei meinen früheren Besuchen nachhaltig beeindruckt. Langsam wird es dunkel, ein Gewitter zieht auf. Unbedingt muss ich noch zur Surfwelle im Eisbach, die schon einem Münchner Tatort als Kulisse diente. Und es macht Spaß, den Leuten bei ihren Versuchen, standfest zu bleiben, zuzusehen.
Den Weg zum Hotel verkürze ich durch eine Fahrt im Bus und kehre unterwegs in einer Pizzeria ein. Während ich meine Pizza genieße, blitzt und donnert es draußen, Regen setzt ein. Durch den Stadtplan halbwegs orientiert, nehme ich den Bus zum Bahnhof und laufe die paar Schritte zum Hotel.
Mit einem ausführlichen Frühstück starte ich in den nächsten Morgen. Um 10 Uhr beginne ich meine Wanderung zum Isartor. Ein paar Meter spare ich ein durch die Straßenbahn. An der Haltestelle wartend, rast mit lautem Tatütata ein riesiges Kontingent an Polizeiautos vorbei, den Hintergrund dafür erfahre ich abends zuhause. Vom Isartor geht es zum berühmten Viktualienmarkt, der so oft Filmkulisse war, dass ich ihn mir gewaltiger vorgestellt habe. Noch ist es morgendlich ruhig, die Touristenmassen fallen erst später ein. Die Stände logieren in kleinen Häuschen, dazwischen gibt es einladende Außengastronomie.
Ich streune durch die Gassen und schaue mir die Auslagen und das Personal an. An einem Bio-Gemüsestand werde ich fündig. Strahlend steht er an der Kasse und bedient die Kundschaft mit einer Freundlichkeit, die ihresgleichen sucht. Ich nehme mir einen Radi und bezahle. Felix heißt der Glückliche. Der junge Mann aus dem Allgäu ist meine »Begegnung des Tages«.
Für mein geplantes Abendessen im Zug kaufe ich noch ein Baguette (vielleicht sollte ich Baguette-Testerin werden) bei einem Bio-Bäcker und einen Obazda vom bayrischen Käsestand. Es bleibt genügend Zeit, um ein bayrisches Getränk einzupfeifen. Den alkoholfreien Radler gibt es nur in der 1-Liter-Version als Maß – Menschen in München haben großen Durst – also wird es eine Halbe alkoholfreies Weizen. Ein Blick auf die Karte bestätigt, dass es in diesem Biergarten (und vermutlich in ganz Bayern) die in Mannheim schon lange übliche Beschiss-Version (0,4) nicht gibt, sondern die ganze Halbe und die zu einem vernünftigen Preis. Auch sehr positiv fällt auf, dass neben den kommerziellen Plätzen in Biergärten ausreichend kostenlose zum Niederlassen vorhanden sind und zudem etliche Trinkwasserbrunnen die durstigen Kehlen mit wunderbar erfrischendem Wasser fer umme tränken. Was zudem auffällt, sind die unzähligen Baustellen und vermutlich ähnlich viele Trachtengeschäfte mit sauber getrennten Dirndeln für die Madeln und Krachledernen für die Buam.
Erneut passiere ich den Marienplatz, der sich heute bei perfektem Wetter noch ansprechender präsentiert als gestern, und nehme schließlich den mittlerweile vertrauten Weg zum Bahnhof.
Für die Rückfahrt habe ich die Strecke über Ulm (RE 9, 14.35 Uhr ab München) mit weiteren Umstiegen in Stuttgart und Karlsruhe-Durlach gewählt. Der Zug fährt pünktlich ab, ist nicht ganz voll und leert sich weiter, so dass ich streckenweise meine strapazierten Füße auf dem gegenüberliegenden Sitz ausruhen kann. Die Bahn bewegt sich durch sanft gewellte, saftig grüne Landschaft und kommt drei Minuten nach der geplanten Zeit in Ulm an. Die Bahn-App hat mir unterwegs mitgeteilt, dass mein Anschlusszug nach Stuttgart »wegen einer defekten Tür« ca. 15 Minuten Verspätung haben würde. Das wird auch auf dem Bahnsteig durchgesagt. Etwa zur geplanten Abfahrtszeit (17.15 Uhr) erfahren die auf dem Bahngleis Wartenden per Lautsprecher, dass der Zug »aufgrund einer technischen Störung« ganz ausfällt. Das sind die Umstände, die Flexibilität erfordern. Von der Planung im Vorfeld weiß ich, wie schwierig es war, eine halbwegs zumutbare Reise ausschließlich mit Regionalverkehr zusammenzubasteln. Nun geht ohne ICE nix. Also beiße ich in den sauren Apfel, buche einen Direktzug (ICE) nach Mannheim und bin 63 Euro ärmer. Da ich nun mehr als eine Stunde Wartezeit »gewonnen« habe, tätige ich einen Frustkauf in der in Bahnhofsnähe ansässigen Galeria Kaufhof (ein echter Standortvorteil), bevor ich mich am Gleis 1 niederlasse. Fast pünktlich fährt der Zug in Ulm ein und ebenso in Mannheim. Der Unterschied zwischen Regionalzug und ICE ist schon erheblich. Obwohl ich eineinhalb Stunden später als geplant in Ulm abgefahren bin, komme ich 35 Minuten früher an (20.28 statt 21.03 Uhr). Und ein Restaurant im Zug ist auch nicht zu verachten.