Montag 13. und Mittwoch 14. Januar 2025
Das Deutschland-Ticket wurde verlängert, ich kann mein Projekt fortsetzen, wenn auch der Preis mit 58 € pro Monat fast 20 Prozent teurer ist als letztes Jahr.
Mit gemischten Gefühlen fahre ich in die Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt, liegt doch ein dunkler Schatten über meinem Reiseziel. Der Gedanke an das Attentat oder besser die Amokfahrt eines Durchgeknallten, der Mitte Dezember in den Weihnachtsmarkt von Magdeburg fuhr, sechs Menschen tötete und viele schwer verletzte, ist mit dem Namen der Stadt untrennbar verbunden.
Es ist früh, es ist kalt, es ist dunkel. Der Regionalexpress (RE) 70 nach Frankfurt – über die frisch erneuerte Riedbahnstrecke – fährt mit 10 Minuten Verspätung los. Macht nichts, ich habe genügend Umsteigezeit eingeplant. Übermüdet – der Schlaf wollte sich letzte Nacht partout nicht einstellen – döse ich vor mich hin. Links der Mond, rechts kommt die Sonne allmählich zum Vorschein. Die Landschaft ist von zartem Reif überzogen. Mit gut 15 Minuten Verspätung laufen wir in Frankfurt ein. Pünktlich um 9.20 Uhr verlässt der RE 30 den Bahnhof. Die Strecke Mannheim-Kassel hat etwas von einem Déjà-vu, bin ich doch zwischen 1993 und 1997 drei- bis viermal pro Woche an meinen Arbeitsplatz in der Kasseler Uni gependelt (der Rest war Homeoffice), allerdings erheblich schneller auf der ICE-Strecke. Im Zug ist es warm und gemütlich, draußen liegt ab Marburg ein wenig Schnee. Mit 20 Minuten Verspätung fährt der Zug in Kassel-Wilhelmshöhe ein. Weiter geht es mit dem RE 9 der Abellio-GmbH nach Halle. Und so pünktlich wie diese Bahn abfährt, kommt sie auch an, was den Umstieg in Sangerhausen – Umstiegszeit nur sechs Minuten – in den RE 10 der gleichen Firma am Gleis gegenüber – ebenfalls pünktlich – problemlos möglich macht. Einen Teil der Strecke verschlafe ich, wache aber – vom hektischen Treiben meiner Mitreisenden geweckt – rechtzeitig am Bahnhof in Magdeburg auf. Der Zug endet hier.
Trotz Stadtplan – die Touristeninformation hat mich großzügig mit Material eingedeckt – etwas desorientiert – in Magdeburg war ich noch nie – leiste ich mir ein Taxi zum Hotel. Das Zimmer im Dach einer alten Villa ist ansprechend und die freundliche Frau an der Rezeption gibt mir auf meine Fragen Antworten und Tipps, die ich umsetzen will. Leider ist es schon eine Weile dunkel – einer der Nachteile des Reisens im Winter – so dass ich weder den Stadtplan gut lesen, noch die architektonischen Besonderheiten der Häuser adäquat würdigen kann. Nichtsdestotrotz eile ich die Hegelstraße nach Norden – wie ich dem Reiseführer entnommen habe, die Prachtstraße der Gründerzeit – zu den Lichtern kurz vor dem Dom, die sich als schwach frequentierter Wintermarkt mit Würstchen und Glühwein entpuppen. Dann ein Stückchen zurück zu dem veganen Restaurant vor dem Elbbahnhof. Hier wunderbar beköstigt, lasse ich es für heute gut sein und wandere zurück zum Hotel.
Dienstag. Heute – an meinem Geburtstag – will ich mir im Hellen einen Überblick verschaffen. Bestes Winterwetter mit klirrender Kälte und Sonnenschein macht Laune. Auf dem Weg in die Innenstadt komme ich an der Ecke Carl-Miller-Straße/Sternstraße an einem Gebäudekomplex vorbei, der aus gelben Mauerziegeln erbaut ist und meine Neugier erregt. Einem Schild zufolge ist hier der Städtische Abfallwirtschaftsbetrieb untergebracht. Auch einen Besuchereingang finde ich und trete ein. Ob mir jemand etwas über das Gebäude sagen kann, frage ich den Mann am Schalter. Der winkt gleich seinen Kollegen aus dem hinteren Raum herbei. Der große, freundliche Mann beantwortet geduldig und kompetent die Fragen der neugierigen Mannheimerin und erweist sich als echter Kenner der Stadtgeschichte. So erfahre ich, dass es sich bei dem Bau um eine ehemalige Kaserne handelt, die 1887 durch ein Trainbataillion (Transportwesen) bezogen wurde. Bis zum Ende des Ersten Weltkriegs wurde sie militärisch genutzt. Danach folgte eine wechselvolle Nutzung durch öffentliche Institutionen, bis vor einigen Jahren auf der einen Seite die Abfallwirtschaft, auf der anderen die Polizei in das denkmalgeschützte Ensemble einzog. Ich erkläre dem netten Mann mein Projekt und dass er die ideale »Begegnung des Tages« wäre. Jan Schwarzberg, er ist Sachbearbeiter in der Abfallberatung, lässt sich nicht lange bitten und von mir vor dem Gebäude ablichten.
Beseelt – solche Begegnungen machen das Reisen zu einem Vergnügen – gehe ich auf dem Breiten Weg, der Legende nach Namensgeber für den »Broad Way« in New York, weiter. Die einstige Barockstraße, die die gesamte Innenstadt von Süd nach Nord durchzieht, wurde im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört und danach großzügig – ohne allzu schwere Bausünden – wieder aufgebaut. Zeit für einen Fotostopp am Dom und am Platz vor dem Landtag, wo fantasievolle Lichtinstallationen, wie auch an anderen Orten in der Stadt, in der Winterzeit Licht ins Dunkel bringen.
Magisch zieht mich die »Grüne Zitadelle« an, ein von Friedensreich Hundertwasser entworfenes Gebäude (das letzte von ihm), das im Jahre 2005 eröffnet wurde, in dem Magdeburg auch sein 1200-jähriges Jubiläum feierte. Welch überwältigende Art zu bauen!
Weiter über den Breiten Weg zum Alten Markt vor dem Rathaus, wo sich vor wenigen Wochen das tragische Geschehen auf dem Weihnachtsmarkt ereignete. Die zentrale Gedenkstätte vor der Johanniskirche lässt das große Leid erahnen, das damit nicht nur den Betroffenen selbst, sondern auch ihren Angehörigen angetan wurde.
Über die Ernst-Reuter-Allee geht es zum Bahnhof, wo ich um 11.45 Uhr meine Schwester Christina abhole. Es wird Zeit, der Elbe, die so prägend für die Stadt ist, einen Besuch abzustatten. Über den Alten Markt am Elbufer entlang gelangen wir zu Resten der Stadtmauer und ein paar Meter weiter zum Dom, dem Wahrzeichen der Stadt. Die gotische Kathedrale (erbaut 1209 bis 1520) fußt auf einem Dom romanischer Bauart, dessen Bauherr Otto I. war, der im 10. Jahrhundert Magdeburg zur Blüte verhalf und bis heute hier verehrt wird.
Unseren Geburtstagskaffee nehmen wir in einem Café in der Grünen Zitadelle und lassen später den Tag in einem italienischen Restaurant im Gründerzeitviertel ausklingen. Und der angesagte und befürchtete Eisregen bleibt aus.
Fazit: Magdeburg ist eine sympathische Stadt und eine zweite Reise wert, gerne auch in Verbindung mit einer Tour auf dem Elbe-Rad-Weg.